Banken fallen im Digitalisierungsrennen zurück

Schweizer Retail-Banken büssen in Deloittes Digitalranking gleich neun Positionen ein und landen weltweit auf Platz 27.

Mit einen digitalen Reifegrad von 39 Punkten liegen sie unter dem globalen Durchschnitt (41) und weit hinter den digitalen Vorreitern (60+), unter denen keine Schweizer Bank ist. Während Echtzeit-Benachrichtigungen, KI-gestützte Spartools und digitale Versicherungen international längst Standard sind, fehlen diese Services bei vielen Schweizer Banken.

Deloittes Studie analysiert mit einer Mystery-Shopping-Methode über 1’000 digitale Bankfunktionen bei 349 Banken in 44 Ländern, darunter 12 Schweizer Retail-Banken mit zusammen über 80 Prozent Marktabdeckung.

Danach hat sich der Rückstand der Schweizer Banken in den letzten Jahren weiter verschärft: Vor vier Jahren auf Platz 18, vor zwei Jahren auf Platz 21 und heute nur noch auf Platz 27. Bei der ersten Studie 2018 schaffte es das Land noch in die Top 5. Während andere Märkte ihre digitalen Angebote mit Mobile-First-Strategien, KI-gestützter Kundeninteraktion und innovativen eingebetteten Finanzdienstleistungen ausgebaut haben, sind Schweizer Banken der Studie zufolge über die Jahre immer weiter zurückgefallen.

Digitales Onboarding umständlich

Immerhin sieht Deloitte Fortschritte beim digitalen Konto-Onboarding. Alle ausser einer untersuchten Schweizer Bank bieten mittlerweile eine digitale Kontoeröffnung an. Wartezeiten von mehreren Stunden oder Tagen seien allerdings keine Seltenheit. Internationale Digitalbanken ermöglichten Kontoeröffnungen mit KI-gestützten Echtzeit-Prüfungen in Sekunden– ähnlich wie Apple Pay oder Google Pay. In der Schweiz hingegen bleiben oft ein Videoanruf oder gar ein Filialbesuch erforderlich.

«Schweizer Banken haben bei digitalen Kontoeröffnungen kleine Fortschritte gemacht, doch im Vergleich mit ausländischen Banken ist der Prozess nach wie vor vergleichsweise kompliziert und langsam. In Ländern wie Grossbritannien reicht ein Selfie und ein Ausweis-Scan für eine KI-Verifizierung und die Kontoeröffnung», erläutert Cyrill Kiefer von Deloitte Schweiz.

Schwache Kundeninteraktion

Das Smartphone etabliere sich als primärer Zugangskanal für Bankgeschäfte, vor allem im Ausland, so die Studie weiter. Ein Beispiel hierfür seien Echtzeit-Benachrichtigungen zu Ausgaben. Doch nur rund ein Drittel der Schweizer Banken böten diese Funktion. Noch gravierender sei der Unterschied bei intelligenten Sparfunktionen. Nur vereinzelte Schweizer Banken würden KI-gestützte Algorithmen nutzen, um Sparpläne an das individuelle Ausgabeverhalten anzupassen. Diese Automatisierung funktioniert wie personalisierte Musikempfehlungen von Streamingdiensten basierend auf dem Nutzungsverhalten.

Auch fehle es Schweizer Mobile-Banking-Apps oft an Basisfunktionen, die die Interaktionen und die Kundenbindung fördern. Interaktive Dashboards, personalisierbare Budgetierungs-Tools oder Echtzeit-Finanzanalysen seien Deloitte zufolge kaum vorhanden. Während digitale Vorreiter KI für automatische Kategorisierung und Spartipps nutzen würden, müssten Kundinnen und Kunden von Schweizer Banken ihre Ausgaben oft manuell verwalten oder auf externe Apps ausweichen.

Mehrwertdienste ignoriert

Führende Digitalbanken böten zweieinhalbmal häufiger Mehrwertdienste wie ÖV-Tickets, Streaming-Abos und Finanzmanagement-Tools an, so die Studie weiter. Schweizer Banken würden dieses Potenzial nicht nutzen. Besonders auffällig sei der Rückstand bei eingebetteten Versicherungsdienstleistungen: Nur eine untersuchte Schweizer Bank integriert aus Sicht der Studienautoren solche Lösungen umfassend. Auch bei der Automatisierung administrativer Aufgaben würden Schweizer Banken hinterherhinken: Steuerabrechnungen, In-App-Vermögensverwaltung oder One-Click-Rechnungszahlungen seien in vielen globalen Märkten längst Standard.

Während digitale Vorreiter Innovationen schnell umsetzen würden, bremsen Regulierungen und eine konservative Strategie die Schweizer Banken, so Deloitte weiter. Auch fehle meist eine klare Mobile-First-Strategie. Zudem würden digitale Vorreiter Apps als zentrale Schnittstelle nutzen, wohingegen Schweizer Apps oft nur E-Banking-Erweiterungen bleiben würden. Statt in intuitive Oberflächen und Personalisierung zu investieren, würden viele Banken lediglich auf weitere Features  setzen – mit unübersichtlichen und wenig nutzerfreundlichen Apps als Folge.

Vergebenes Wachstumspotenzial

Doch nicht nur die Kundenbindung sei in Gefahr. Auch wichtige neue Umsatzquellen blieben unerschlossen. Digitale Vorreiter steigerten ihre Einnahmen pro Nutzerin bzw. Nutzer durch intelligentes Cross-Selling oder eingebettete Finanzprodukte. Der Mangel an integrierten Versicherungen, Anlageprodukten und Lifestyle-Diensten sei ein wesentlicher Grund dafür, weshalb Schweizer Banken im Vergleich zu den ausländischen Digital Champions Wachstumspotenzial vergeben.

«Banken müssen sich von reinen Zahlungs- und Kontoführungsanbieterinnen zu digitalen Service-Plattformen entwickeln. Finanzmanagement, moderne Direktzahlungssysteme, Abo-Management, Buchungssysteme oder Mobilitätslösungen müssen nahtlos integriert werden, um zum digitalen Alltagsbegleiter zu werden. Wer diesen Wandel nicht mitgestaltet, riskiert eine ganze Kundengeneration zu verlieren», so Cyrill Kiefer.

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