Hat KI im Voice Marketing schon was zu sagen?

Watch out in the home office: voice assistant listens in

Ja und nein, meinten die Teilnehmer eines ÖMG-Symposiums. Manche Bots böten zwar schon Erstaunliches. Doch fehle es allen an Emotionalität.

Wir hören sie im Radio. Sie komponiert barocke Orchesterwerke und spricht aus diversen Geräten mit uns. KI ist im Bereich Audio definitiv angekommen. Rollt nun bald eine Content-Lawine KI-generierter Inhalte auf uns zu? Und wieviel Seele und Identität stecken in Zukunft noch in Marken, wenn immer mehr KI-Anwendungen die kreativen Ideen von Menschen ersetzen?

Diese Fragen standen im Zentrum der Tagung „The Rise of Voice Marketing”, zu der die Österreichische Marketing-Gesellschaft (ÖMG) Mitte Juni nach Wien eingeladen hatte. Dort diskutierten Sprecherin und Sängerin Melanie Fedl, Harald Sulzbacher, gosh! Audio Agentur und Viktoria Zischka, Senior Media Consultant Retail Media Billa und ÖMG Vorständin unter der Moderation von ÖMG Präsident Alexander Oswald über die neuesten Trends und Innovationen in der Welt der Stimme.

Die Superkraft von Audio

Den Auftakt machte Joachim Feher mit dem Impulsvortrag. „Marken brauchen eine Seele. Audio hat eine Superkraft: es ist der direkte Zugang zur Emotion. Und: Wir können zwar oft wegschauen, aber meist nicht weghören“, so der Audiomarketing-Experte. Fakt ist, dass wir bis zu dreimal schneller sprechen als schreiben. Insofern dürften sich Sprachsteuerungen als wichtiges Eingabetool in Zukunft etablieren und viele Tastenfelder ablösen. Sprache sei intuitiv, niederschwellig – und eine wichtige Datenquelle, betonte Feher.

Denn sprachgesteuerte Geräte des Alltags würden schon jetzt eine Menge Informationen über uns sammeln. Zum Beispiel besäße etwa ein Drittel der Österreicher*innen einen Smartspeaker: „Die User*innen liefern den Geräteherstellern damit eine große Datendichte und -tiefe. Für Marketer werden diese Daten in Zukunft eine wichtige Quelle für das Targeting sein“, so Feher. Schließlich sage Sprache viel über uns aus. Unter anderem gebe sie Aufschluss über unser Alter, Bildungsstand (Wortschatz), Herkunft (Dialekt und Sprachfärbung), Vitalität, Bedürfnisse und sogar Krankheiten.

Im Voice Shopping hingegen sei der Trend eher rückläufig, so Feher weiter. Viele Menschen würden ungern Produkte kaufen, ohne sie vorher gesehen zu haben.

Feher gab auch einen Überblick über das breite Anwendungsfeld, das es bereits in Sachen KI und Audio gibt: Dieses reicht von virtuellen und synthetischen Stimmen über Text-to-Speech und Speech-to-Text-Anwendungen über Übersetzungen und Synchronisationen bis hin zu Optimierungen von Textinhalten – etwa, wenn unnötige Füllwörter aus einem Audiofile gelöscht werden – sowie semantischen Analysen.

Erwartbarkeit vs. Überraschungseffekt

Es sind nicht nur die jungen Early Adopters, die KI als Begleiter*in im Alltag nutzen, sondern auch die älteren Generationen, die aus ganz praktischen Gründen Sprachsteuerungen einsetzen – etwa, weil die Schrift am Display einfach zu klein sei, beobachtet Viktoria Zischka und sagt: „KI hat einen großen Convenience-Aspekt.“

Das Radio nutze bereits testweise zahlreiche KI-Anwendungen, die zudem Kosten einsparen. Etwa, wenn aktuelle Wetter- oder Verkehrsmeldungen durch KI gelesen werden können, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. In Deutschland streamen bereits zwei Radiosender, Absolut Radio AI und bigGPT, in denen von der Moderation bis zur Musikauswahl alles KI-generiert ist. Was hier aber definitiv noch fehlt, sei die Emotionalität und Spontanität, so Feher. „Was KI – noch – nicht kann, ist, Unerwartetes und nicht Höchstwahrscheinliches zu liefern. Unerwartetes, Neues ist im Marketing aber nötig, um Überraschungseffekte und Aufmerksamkeit zu generieren.“

Das sieht auch Melanie Fedl so. Als Sprecherin und Sängerin setze sie sich viel mit KI auseinander und habe Spaß daran, neueste Anwendungen zu testen, hob Fedl hervor. Dabei erkenne sie immer wieder: Vor allem was die feinen Nuancen und die Betonung einzelner Worte betrifft, hat die KI noch Aufholbedarf. „Da fehlt ein Stück Seele“, so Fedel. Und Feher betonte: „Audio ist ein wichtiges Tool, um Marken eine Seele zu geben. Insofern wird die menschliche Stimme weiterhin eine wichtige Rolle spielen.“

Baustelle Emotionalität

Auch Sounddesigner, Komponist und Musikproduzent Harald Sulzbacher sieht in der fehlenden Emotionalität noch Aufholbedarf bei der KI: „Es kommen bereits viele Kund*innen mit großem Know-how auf uns zu und fragen, ob wir das besser können als die KI. Wir müssen ihnen den Unterschied klar machen: Eine Emotionalisierung können wir mit KI noch nicht erreichen. Dazu braucht es den menschlichen Funken“, so der Audiomarketing-Berater.

Einig war man sich aber, dass KI-Anwendungen sich derzeit rasant verbessern. Viktoria Zischka plädierte dafür, an den Innovationen dranzubleiben: „Aber auch der menschliche Faktor darf bleiben, wir müssen uns nur immer wieder neu erfinden. Ich sehe Technik in harmonischer Verbindung mit dem Menschen“, so die Medienexpertin.

Einsatzfeld Radiospots

Was die KI jedenfalls schon kann, ist das Erstellen von Radiospots, die nicht unbedingt kreativ sein müssen, sondern eine simple Botschaft haben – wie etwa einen Abverkauf. Mit Anwendungen wie Adthos oder Radio Ad Maker ließen sich in nur wenigen Minuten bereits ganz passable Radiospots generieren.

„Viel Originalität darf man sich aktuell aber noch nicht versprechen“, so Feher. Was die Quantität angehe, eröffne KI aber neue Möglichkeiten: Ein Lebensmitteldiskonter etwa brachte mit dem Projekt Sara kürzlich die ersten KI-basierte Audio-Kampagne mit einer geklonten menschlichen Sprecherstimme heraus: 2.500 hyperlokale, individualisierte Spots wurden von Sara produziert.

Konkrete Tipps

Die Erfahrungen der Runde zeigten, dass das Interesse und die Offenheit gegenüber KI im Voice Marketing bereits groß ist. Was raten sie all jenen, die sich bisher noch wenig mit diesen Anwendungen befasst haben? „Einfach machen und experimentieren. Die KI lacht uns ja nicht aus. Einlesen, einhören, Expert*innen befragen“, riet Viktoria Zischka den Marketingverantwortlichen.

Auch Alexander Oswald riet, sich dem Thema ergebnisoffen zu nähern: „Man weiß nie, welche positiven Aspekte sich daraus ergeben. Der APA-Tech Podcast Always On mit Clemens Prerovsky hatte zum Beispiel besonders eine gute Auswirkung auf das Employer Branding.“ Melanie Fedel beobachtete hingegen: „Viele meiner Kund:innen ist KI noch unheimlich. Ich empfehle ihnen, sich mit ihr auseinanderzusetzen, um sie bestmöglich für sich nutzen zu können. Aber auch, um sie besser kontrollieren zu können.

Einig war man sich, dass KI im Bereich Voice Marketing derzeit gut als Ideengeber und Inspiration diene, als Unterstützung im Berufsalltag und um unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen. Die Feinarbeit aber müssten immer noch Profis der Branche übernehmen, um eine entsprechende Qualität und Originalität zu erschaffen. „KI hilft“, fasste es Joachim Feher zusammen, „sie macht uns im Voice Marketing schneller und vielfältiger. Aber es braucht Profis, die den Rahmen schaffen und gute Prompts schreiben.“