Kann KI die Stromnetze sicherer machen?
Österreichische Forscher und Industrieunternehmen entwickeln intelligente Schutzlösungen. Die Wiener Netze dienen als Betatester.
Die zunehmende Einspeisung über erneuerbare Energiequellen und der Boom von Elektrofahrzeugen stellen die Stromnetze vor neue Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund hat die Forschungsgesellschaft Aspern Smart City Research (ASCR) mit einem Team aus Forschung und Industrie ein Konzept entwickelt, das die Netzsicherheit weiter stärken soll. In einem sogenannten Digitalisierungslabor werden nun erste Teile des Systems von den Wiener Netzen unter realen Bedingungen eingesetzt.
Das Förderprojekt trägt den Namen PoSyCo und wurde unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) gemeinsam mit den Wiener Netzen, Siemens, der TU Wien, der TU Graz und der MOOSMOAR Energies OG entwickelt. Das Projektbudget betrug 3,7 Millionen Euro und wurde vom Klima- und Energiefonds mit 2,5 Millionen Euro gefördert.
Ausgangslage
Bisher war der Energieverbrauch der Bevölkerung passiv und damit gut abschätzbar. Immer mehr Menschen werden jedoch aktiver Teil der Energiewende, wie beispielsweise durch Energiegemeinschaften, den Anstieg von PV-Anlagen oder den Boom der Elektromobilität. So untersuchte das Förderprojekt die Ausgestaltung der Stromnetze, um auch bei alternativen Energieformen und Energiegemeinschaften jederzeit Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Das von der ASCR mitentwickelte Konzept der „SOFTprotection“ kann als intelligentes „Add-on“ für herkömmliche Netzschutzkonzepte dienen. Untersucht wird dabei, wie Stromnetze zu „Smart Grids“ werden können – und als automatisierte, vorausschauende und digitalisierte Systeme Probleme frühzeitig erkennen sowie durch implementierte Schutzfunktionen zu jederzeit Versorgungssicherheit garantieren.
Künstliche Intelligenz bewertet Störungen
Ein Ziel des Projekts war es, die bestehende Infrastruktur so auszurüsten, dass Leistungsspitzen vermieden und die Lasten jederzeit bestmöglich und effizient genutzt werden. „Mit den Entwicklungen im Rahmen von PoSyCo haben wir einen Werkzeugkasten für den zukünftigen Verteilnetzbetrieb geschaffen, der den komplexen Anforderungen der Energiewende bei gleichzeitiger Energieversorgungssicherheit gerecht wird”, sagt der Technische Koordinator und ASCR Projektleiter Alfred Einfalt, Principal Key Expert bei Siemens.
Das SOFTprotection-System soll Störungen identifizieren, indem es Daten sammelt, Fehlerberichte empfängt und diese entsprechend analysiert. Das System kann laut Projektteam selbst erkennen, welches Problem vorliegt und wie kritisch es einzustufen ist. Die im Rahmen des Forschungsprojekts definierte Rolle des “SOFTprotection Operator” bewertet dann die aufbereitete Situation und entscheidet, ob es das Netz weiter beobachten soll oder ob Technikkräfte vor Ort benötigt werden.
Getestet wird die SOFTprotection im Stromnetz der aspern Seestadt: Intelligente Gebäude werden mit dezentral bereitgestellter Energie versorgt. So zum Beispiel in der dortigen Wohnhausanlage D12 oder im Schulcampus D18A, wo Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Auch die Stromnetze sind mit Sensoren ausgestattet, so dass sich verfügbare Netzkapazität jederzeit analysieren lassen und der Energieverbrauch bewertet werden kann. Weiterführende Tests und Evaluierungen der Lösungen wurden von den Projektpartnern Austrian Institute of Technology, TU Graz und TU Wien sowohl in deren Labors als auch mittels Simulationen durchgeführt.