KI in der Verladelogistik
Gemeinsam mit Partnern will das AIT Gabelstapler so autonom machen, dass sie auch im Freien eingesetzt werden können.
In einer erfolgreichen mehrjährigen Forschungskooperation haben Wissenschaftler: innen am AIT Center for Vision, Automation & Control gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern ein Automatisierungskonzept entwickelt, das die Be- und Entladeprozesse im Außenbereich revolutionieren soll. Durch die Automatisierung eines Mitnahmestaplers soll eine flexiblere Handhabung von Gütern und Objekten ermöglicht werden. Insbesondere in Situationen, in denen es an logistischer Infrastruktur und Personal mangelt.
Das Verladen der Güter findet häufig im Außenbereich statt und erfolgt manuell unter Einsatz von Gabelstaplern oder Ladekranen. Doch nicht immer finden LKW-Fahrer:innen bei ihrer Ankunft die geeignete Infrastruktur vor, um zügig die Ware zu verladen. Nicht selten mangelt es auch einfach an Personal.
Gemeinsam mit ihren Partner:innen von Industrie-Logistik-Linz und FH OÖ Forschung & Entwicklung sowie Palfinger Europe, Agilox Services und DB Schenker haben sich die AIT-Forscher:innen das Ziel gesetzt, die Automatisierung von Be- und Entladeprozessen voranzutreiben. Im Fokus der mehrjährigen und nunmehr abgeschlossenen Forschungskooperation stand die Automatisierung eines Mitnahmestaplers, der sog. Crayler, der in einer Transportkiste unter dem LKW mitgeführt wird.
Autonome Handhabung
Die Entwicklungsarbeit umfasste Lösungen in Sensorik, Robotik und intelligenter Software mit dem Ergebnis, dass der Crayler nun – im Sinne der gestellten Aufgabe – autonom handeln kann. Er fährt zum Verladegut, erkennt es als solches, positioniert sich, nimmt es richtig auf, bringt es sicher zur Abladeposition und stellt es gemäß der Aufgabe ab.
Das Besondere dabei ist, dass sich der Prozess in einer offenen Umgebung im Außenbereich abspielt. Anders als in einem computergestützten Lagerhallensystem mit klar definierten, eingemessenen Bereichen, bieten hier keine Sensoren und Markierungen dem Gerät Orientierungshilfen. „Diese Entwicklung macht erstmalig eine automatisierte Handhabung von Gütern und Objekten bei Be- und Entladevorgängen im Außenbereich möglich. Ähnliche Aufgabenstellungen z.B. in der Landwirtschaft, im Bauwesen oder in kommunalen Dienstleistungen können damit ebenso realisiert werden. Er soll besonders dort eingesetzt werden, wo es an Arbeitskräften mangelt“, so Andreas Vrabl, Leiter des AIT Center for Vision, Automation & Control über künftige Anwendungsmöglichkeiten.
Betrieb im offenen Gelände
„Arbeitsmaschinen wie z.B. Gabelstapler sind für die Steuerung durch einen Menschen entworfen und optimiert. Um einen autonomen Betrieb zu ermöglichen, müssen intelligente Algorithmen das Zusammenwirken von kognitiver menschlicher Fähigkeit und bedienungsoptimerter Mechanik kompensieren. Eine besondere Herausforderung dabei ist, wenn sich das Gerät im offenen Gelände bewegen soll. Hier bedarf es neuartiger und ganzheitlicher Automatisierungskonzepte, wo Sensorik, Regelung und Künstliche Intelligenz ineinandergreifen,“ so Patrik Zips, Projektleiter am VAC.
Dafür haben die Expert:innen eine Kombination unterschiedlicher Sensorsysteme (Stereo-Kamera, Lidar, GPS, etc) implementiert, die dafür sorgen, dass der Crayler seine Umgebung vollständig erfasst. So kann der Stapler eine virtuelle Karte der Umgebung erstellen und seine eigene Position bestimmen. Intelligente Algorithmen werten die Daten aus und erstellen einen Abarbeitungsplan, um die gewünschte Aufgabe zu erfüllen.
„Damit das Fahrzeug eine definierte Trajektorie fahren kann, braucht es verschiedene Sensoren, die aufeinander abgestimmt sein müssen wie z.B. die Umgebungssensorik und die Drucksensorik für die Hydraulik. Jedes noch so kleine Steinchen lenkt von dem exakten Weg etwas ab. Diese Abweichungen müssen sofort gemessen werden, damit die Lenkung nachregelt und der Crayler das Ziel wie geplant erreicht,“ erläutert Zips.
Trainieren von KI
„Mit Hilfe von KI-basierten Methoden „lernt“ der Crayler das Transportgut zu identifizieren. Dazu brauchen wir geeignete Bilddaten. Die Schwierigkeit hier ist, dass wir es mit den verschiedensten Palettentypen zu tun haben. Sie variieren im Aussehen sehr stark. Zudem können sie neu oder abgenutzt sowie auf unterschiedliche Weise beladen sein. Das Anlernen des Systems mit annotierten Bildern wie im Automotive-Bereich wäre hier zu ressourcenintensiv und praktisch kaum umsetzbar. Daher generieren wir synthetische Daten,“ so Csaba Beleznai.
Er ist Wissenschaftler am VAC und Experte auf dem Gebiet des maschinellen Lernens. In seinem Ansatz geht er von der geometrischen Form des Objekts – hier der Palette - aus. Eine Simulationssoftware erstellt im Hintergrund rund 500.000 Datensätze mit unterschiedlichen Ansichten und Varianten in kürzester Zeit und trainiert damit das neuronale Netz äußerst effizient.
Lernfähigkeit erhöhen
Zum Projektabschluss im "Large-Scale Robotics Lab", dem neuen AIT-eigenen Outdoor-Testgelände in Seibersdorf, zeigte der Mitnahmestapler sein Können und verlud – automatisiert - Paletten auf einen LKW. „Diese komplexen Handlungen zu automatisieren, bei denen u.U. mehrere große Geräte involviert sind, die aufeinander abgestimmt sein müssen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Umsetzung erfordert eine zentimetergenaue Operation sowie eine eindeutige Abstraktion der Szene inklusive einer klaren Definition der Objektbeziehungen darin. Wir konnten hier im Konsortium sehr wesentliche Fortschritte erzielen und erfreuliche Ergebnisse präsentieren,“ freut sich Sebastian Wimmer, ACES Program Leader bei Palfinger.
Künftig wollen die Expert:innen die Lernfähigkeit der Stapler erhöhen. Geplant sind unter anderem die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sowie die Interaktion zwischen Maschine und Maschine auszubauen und den Crayler zu befähigen, flexibel auf sich verändernde Situationen einzugehen. „Für autonome mobile Roboter wie wir sie für die Intralogistik entwickeln bieten solche KI-basierten Methoden großes Potential, noch besser mit den verschiedenartigsten Szenarien in Warenlagern und Produktionsumgebungen umzugehen“, meint Wolfgang Pointner, R&D Coordinator bei Agilox. „Das Projekt hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, sog. chaotische Situationen durch automatisierte Systeme zu lösen. Wir gehen davon aus, dass dies zukünftig auch für unsere Kund:innen einen entsprechenden Mehrwert generieren wird“, ergänzt er.