Nachhaltiges Cloud-RZ: Fernwärme für 6000 Haushalte
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In Genf hat der IT-Dienstleister Infomaniak ein Rechenzentrum (RZ) eingeweiht, das den eingesetzten Strom vollständig wiederverwerten soll.
Die Anlage befindet sich in einem Genfer Wohngebiet im Untergeschoss der partizipativen und umweltbewussten Genossenschaft La Bistoquette. Angaben des Cloud-Anbieters Infomaniak zufolge speist das Rechenzentrum 1.7 Megawatt (entspricht 14.9 GWh/Jahr) in das kantonale Fernwärmenetz ein. Damit sollen jährlich 6000 Minergie-A-Haushalte beheizt werden können.
Diese neue Datacenter-Generation, die bereits mit dem Schweizer Ethikpreis und dem Preis für nachhaltige Entwicklung des Kantons Genf ausgezeichnet wurde, wurde von Studierenden der EPFL, des IMD und der UNIL dokumentiert, um sie Open Source zu machen und ihren Nachbau im grossen Stil zu ermöglichen. Die Ergebnisse sind unter diesem Link verfügbar
Bereits seit Mitte November 2024 wird der gesamte verbrauchte Strom in Form von Wärme in das Fernwärmenetz des Kantons Genf eingespeist. Dem Anbieter zufolge stellt diese Umsetzung einen Meilenstein in der regionalen Energiewende dar und mache eine energieintensive Anlage zu einem aktiven Akteur der energetischen Verwertung. Das Datacenter nutzt derzeit 25 Prozent seiner Kapazität. Es werde nun schrittweise stärker ausgelastet, sodass es bis 2028 seine volle Leistung erreichen soll.
Kreislauforientierte Energie
„In der realen Welt wandeln Datacenter elektrische Energie in Wärme um. Im Zuge des exponentiellen Wachstums der Cloud verpufft diese Energie heutzutage ungenutzt. Es ist dringend erforderlich, diese Energie aufzuwerten, derartige Infrastrukturen an die Fernwärmenetze anzuschliessen und die Baunormen anzupassen”, erklärt Boris Siegenthaler, Gründer und strategischer Direktor von Infomaniak.
Der gesamte verbrauchte Strom (Server, Wechselrichter, Lüftung usw.) wird den Angaben des Anbieters zufolge vollständig in Wärme ewandelt – bei einer Temperatur von 40 bis 45 °C. Diese Wärme wird anschliessend an einen Luft-Wasser-Wärmetauscher abgegeben, der sie in einen Warmwasserkreislauf überführt. Danach erhöhen Wärmepumpen die Temperatur des Wassers und leiten die Abwärme des Datacenters in das Fernwärmenetz von Chapelle-Les-Sciers in Genf, das letztlich an das strukturierende Fernwärmenetz (RTS) des Kantons angeschlossen wird.
Das Gas der Wärmepumpen dehnt sich aus, wenn es die Energie dem Wasser entnimmt, dessen Temperatur von 45 °C auf 28 °C sinkt. Dieser lauwarme Wasserstrom wird zum Luft-Wasser-Wärmetauscher geleitet, um die Server zu kühlen, wodurch eine herkömmliche Klimatisierung überflüssig wird.
Anschliessend wird das Gas der Pumpen komprimiert und die Energie an das Fernwärmenetz abgegeben. Dadurch steigt die Wassertemperatur im Sommer auf 67 °C und im Winter auf 85 °C, um den Bedürfnissen des Fernwärmeversorgers gerecht zu werden.
Damit ist der Rückgewinnungsmechanismus identisch mit dem Mechanismus, der die Server auf einer optimalen Betriebstemperatur hält. Auch die zusätzliche Energie, die für den Betrieb der Wärmepumpen benötigt wird, wird wiederverwertet, denn die dabei abgegebene Kälte sorgt für die Kühlung der Server.
Jährliche Einsparungen
Bei voller Auslastung soll das neue Datacenter rund 10 000 Server mit einer Grundfläche von 1800 Quadratmeter unterirdisch beherbergen. Dem Fernwärmenetz des Kantons Genf wird es eine Leistung von 1.7 MW liefern. Mit so viel Energie können jährlich 6000 Minergie-A-Haushalte beheizt werden oder 20 000 Genferinnen und Genfer täglich 5 Minuten lang duschen, so der Cloud-Dienstleister in einer eigenen Medienmitteilung. Hierdurch werde die Stadt die Verbrennung von 3600 t CO2eq Erdgas pro Jahr oder das Äquivalent von 5500 t CO2eq Pellets pro Jahr vermeiden.
Die Wiederverwertung der Abwärme sei für Infomaniak kostenneutral. Ohne die Server kostet das Datacenter 12 Millionen Franken, von denen 6 Millionen Franken vom Cloud-Anbieter für die Anpassung der Wärmestufen an die Anforderungen des Fernwärmenetzes vorgeschossen wurden. Ein Teil dieser 6 Millionen wird vom Energieamt des Kantons Genf (OCEN) und vom Fernwärmenetzbetreiber (GIS) subventioniert. Der Rest wird schrittweise durch die Wärmeerzeugung von Infomaniak zum Selbstkostenpreis amortisiert.
Von der Standortsuche (Juni 2019) bis zur Inbetriebnahme der ersten Server (Dezember 2023) erstreckte sich das Projekt insgesamt über viereinhalb Jahre. Zum Vergleich: Die Realisierung eines Datacenters von Infomaniak dauert in der Regel zwei Jahre. Die Herausforderungen bestanden vor allem darin, einen sicheren Standort in der Nähe eines Fernwärmenetzes zu finden, der die Wärmemenge konstant aufnehmen kann, und einen Vertrag mit dem Fernwärmenetzbetreiber auszuhandeln.