Realität zurückspulen und nochmals erleben
Forschende an der ETH Zürich haben ein System entwickelt, das Ereignisse im Raum dreidimensional aufzeichnet und später wieder abspielt.
„Ich klinke mich hier aus” ist ein vielgehörter Satz in Video-Sitzungen. Man stelle sich eine Zukunft vor, in der man sich nicht nur aus Video-Meetings, sondern aus dem kompletten Bürotrubel ausklinken kann, wenn man sich auf eine wichtige Aufgabe konzentrieren muss. Alle Ereignisse im Raum wären für einen selbst unsichtbar und würden stattdessen aufgezeichnet, um diese später, falls relevant, wieder abzuspielen. Die Aufzeichnung wäre dreidimensional und so echt, dass man sie kaum von der Realität unterscheiden könnte.
Forschende der ETH Zürich haben diese Vision zumindest teilweise umgesetzt: Christian Holz, Assistenzprofessor für intelligente interaktive Systeme hat zusammen mit dem Postdoktoranden Andreas Rene Fender ein Büro mit Tiefenkameras ausgerüstet, die Objekte und Menschen dreidimensional erfassen können. Ein Computersystem zeichnet alle Ereignisse laufend auf und erfasst darüber hinaus ihren kausalen Zusammenhang.
Der Nutzer oder die Nutzerin trägt eine Virtual-Reality-Brille (VR-Brille) und Kopfhörer. Befindet man sich im normalen Modus, zeigt einem die Brille das physische Büro und auch virtuelle Bildflächen und Objekte, die in der physikalischen Umgebung eingebettet sind. Möchte man sich vom Geschehen entkoppeln, kann man alles, was ausserhalb des direkten Arbeitsumfeldes geschieht, ausblenden. Alle Ereignisse können später als Asynchrone Realität abgespielt werden.
Mehr als ein Anrufbeantworter
Der Vergleich mit dem Anrufbeantworter drängt sich auf. Christian Holz relativiert aber: „Eine Nachricht auf einem Anrufbeantworter muss von der Absender:in aktiv formuliert werden – sie trifft Entscheidungen darüber, was sie in der kurzen Nachricht übermitteln will. In der Asynchronen Realität muss die Absender:in nicht aktiv kommunizieren – sie kann Dinge tun und sagen, als wäre die zweite Person präsent. Und die Empfänger:in kann diese Situation danach im selben Raum abspielen und direkt mit Gegenständen interagieren, um so das Aufgezeichnete selbst zu erfahren. Für sie fühlt sich die Aufzeichnung daher sehr reell an.” Die beiden Personen erleben also dieselben Ereignisse in demselben Raum – einfach zeitversetzt.
Holz betont die Unterschiede zu einer Videoaufzeichnung: Der Nutzer könne die verpassten Ereignisse in der asynchronen Realität selektiv ansteuern. Die VR-Brille zeige ihm die Objekte, mit denen etwas geschehen ist, als halbtransparente Umrisse an. Sobald man sich dann einem solchen Objekt nähert, spielt das System die entsprechende Aufzeichnung ab.